2003/03/10

Ein Kessel Dunkelbuntes

Sie schrie. "ZEHN!" Riß die Augen weit auf. Ich kam gerade. Sie meinte hinterher, ihr sei danach gewesen. Es habe nichts bedeutet. Ich sei eben eine glatte 10, meinte sie unter erzwungenem Grinsen.
"NEUN!" Die 9 hatte ich bereits angekreuzt. Sie wollte mir weismachen, die 9 nicht vorgeschlagen zu haben. Sie tippe immer nur ihr Geburtsdatum und da ist keine 9 drinnen, versicherte sie mir. Aber das war gelogen. Es war laut und deutlich eine "NEUN" gewesen. Ein Schrei.
"ACHT!" Ich war gerade vom Motel, Apartment 8 zurückgekommen. Hatte mich richtig erschrocken, weil ich dachte, sie wisse von Lisa.  Aber sie winkte mir nur freundlich zu. Wie immer.
"SIEBEN!" Sie zitterte am ganzen Körper, als ich sie in der Küche fand, am Boden kauernd, weinend. Sie fragte mich, was mit ihr geschehe. Ich schwieg und drückte sie fest an mich. Bis zum Morgengrauen.
"SECHS!" Diesmal war es eine Art Gelächter gewesen. Krächzend und haßerfüllt, diabolisch beinahe. Sie stickte unbeirrt weiter, starrte mich an. Wie eine Fremde.
"FÜNF!" Schon 4 Wochen lang hatten wir versucht, ihre Ausbrüche auf Band zu bannen, nun war es endlich geglückt. Ich hätte vor jedem Gericht beschworen, gesehen zu haben, wie ihre Augen für kurze Zeit erloschen waren, aber die Aufzeichnung strafte mich Lügen.
"VIER!" Fast hätte sie mir an diesem Abend mit dem Käsemesser das Gesicht aufgeschlitzt. Es sei nicht ihre Schuld, sie habe sich nicht unter Kontrolle in diesen Momenten. Es fühle sich an, als stünde sie in Flammen. Ich wußte nicht mehr, was ich glauben sollte. Die Situation fing an, mir zu entgleiten.
"DREI!" Ausgerechnet nach ihrer allerersten Therapiesitzung. Wie zum Hohne, als wolle ihr Dämon uns wissen lassen ... 'Auf diese Weise kriegt ihr mich nicht. Ihr seid verflucht. Chancenlos. Verloren.'
"ZWEI!" Sie bewarf mich mit dem Torso unserer Katze und brach auf dem Badewannenvorleger zusammen. Ich trug sie auf Händen in Richtung Schlafzimmer, als sie plötzlich erwachte und sich in mein Ohr verbiß. Unter Schmerzen ließ ich sie auf dem Treppenabsatz fallen. Sie schlug hart auf dem Steinboden der Eingangshalle auf, brach sich deutlich erkennbar das linke Bein.
Unter verzweifeltem Wimmern versuchte sie, sich aufzurichten, als sie plötzlich den Kopf zu mir drehte und kaum hörbar "EINS!" flüsterte, bevor sie erneut zusammenbrach.

Ich habe die durchgedrehte Irre danach umgehend abgestochen. Diese Art von Streß braucht niemand.

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