2014/10/29

Bodo #080: Popp, die Rotte grillt!

Liebes Bodo.


"SATTE MENSCHEN GEHEN NICHT AUF DIE STRAßE!"

Sagt Andreas Popp.

Er will damit sagen, uns geht's zu gut. Weswegen wir alles mit uns machen lassen. Solange der Hartzer daheim mit seinem Burger vorm Flatscreen sitzt, is die Revolution schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt.

Ziemlich schmierige Aura hatter, dieser Popp, aber an der These is durchaus was dran. Revolutionieren tut man immer erst dann, wenns einem selber dreckig genug geht, Risiken eingehen wollen zu müssen. Wenns egal is, ob man im Handgemenge drauf geht, weil man eh kurz davor is, zu verrecken.

Seine Herangehensweise an das Problem ist folgende:
kein Fleisch mehr essen, keine Pornos mehr gucken und den Fernseher auf die Straße werfen.

... Ja. Also ...
Abgesehen davon, daß man sich an Gemüse durchaus satt fressen kann und Pornos notfalls auch im Kopfkino laufen ... wenn man hungrig und ausgelaugt ist und aus Verzweiflung zum Rebellieren auf die Straße geht, isses dann nich kontraproduktiv, erst über die ganzen Fernseher klettern zu müssen, bevor man den zu stürmenden Palast erreicht? Dann fehlt doch erst recht die Kraft zum überfälligen Umsturz.

Dort wo's tatsächlich massenweise hungrige Menschen gibt, die auf die Straße gehen könnten, hat es übrigens auch ziemlich üblen Kapitalismus relativ ungestört am vor sich hin Blühen dranne, unter anderem. Aber die Mächtigen dort waren clever genug, die Anzahl der Straßen auf ein Minimum zu reduzieren. Die passen da gar nich alle auf die vorhandenen Straßen, die Hungernden, weswegen dummerweise auch in Indien, China und anderen Elendsvierteln der Erde der Aufstand der Anständigen unterbleibt. Da hatte der Adolf schon die richtige Idee, mit den vielen Autobahnen ...
hach, immer diese Nazi-Vergleiche. Warum muß in jeder Debatte über Vegetarismus der dumme Spruch kommen vom Adolf, der auch kein Fleisch gefressen hat und trotzdem nicht in der Lage gewesen ist, das bißchen Weltherrschaft an sich zu reißen?
Vielleicht weil es Spaß macht, die übereifrigen Wellness-Nazis mit ihrer geistigen Verwandtschaft zu konfrontieren? Vielleicht weil Adolf nach wie vor das beste Beispiel dafür ist, daß Wahnsinn und Vernunft zur gleichen Zeit denselben Verstand bewohnen können, ohne sich dabei in die Quere kommen zu müssen?
Wobei es, was viele nich wissen, wohl gar nich so war, daß der Adolf das Fleisch aus Gewissensgründen oder aus Einsicht in die gesunde Ernährung verschmäht hat. Soll einfach Magenprobleme gehabt haben, der Arme. Wahrscheinlich hat ihn der ihm aufgezwungene Vegetarismus erst so richtig am Rad drehen lassen nach 1930. Wenn ich gegen meinen Willen nur noch Brokkoli zu spachteln bekommen tät, würd ich früher oder später auch Amok laufen.

Wie auch immer ...

So richtig Revolutzern tun im Moment jedenfalls eigentlich nur die Gotteskrieger. Die machen dat aber nich wegen zu wenig Porno. Sogar mit HartzIV und Burgern würden die weiterballern, um ihr Ziel zu erreichen.
Ob's dem Herrn Popp in Deutschland wohl gefallen würde, wenn das Grundgesetz gegen die Scharīʿa ausgetauscht werden tät?
Könnt ich mir fast vorstellen bei dem.

Die Scharīʿa ist Kacke. Kapitalismus is Kacke. Faschismus is Kacke.
Und doppelzüngige Selbstvermarktungsprediger im FDP-Memorial-Outfit sind auch Kacke, insbesondere dann, wenn sie den Eindruck vermitteln,
"die Wahrheit" für sich gepachtet zu haben.
Den Glauben daran, daß irgendwann einmal ein Führer kommen werde, ein Auserwählter, ein Messias, der euch selbstlos und zielsicher ans Lichte führe, könnt ihr getrost aufgeben, Kinnerz. Seid auf euch allein gestellt.






Aufgeben.


Etwas Schwieriges nicht weiter zu bewältigen versuchen.


Sich das Leben einfach machen.


Publikumsreaktion: durchweg negativ.

Der Mob will einen Kampf sehen. Er respektiert die Gewinner solcher Kämpfe, die Verlierer bekommen einen mitleidigen Applaus und das Prädikat "Wenigstens hat er es versucht" aufgedrückt. Denn der Wille ist wichtig. Wichtiger als das Resultat, sagt der Mob. Natürlich sind Gewinner trotzdem angenehmer zu bewundern als Verlierer. Wer den Verlierer bewundert, wird selbst zum Verlierer.
Hauptsache ist und bleibt der Wille. Aufgeben geht gar nicht! Absolutes No-Go!

Der Mob ist dieser Ansicht, weil der Mob per Definition nicht viel Verstand hat.
Oder umgekehrt, spielt keine Rolle.
Wer niemals aufgibt, was auch immer kommen möge, was auch immer sich an Hindernissen manifestieren möge im Laufe seines irdischen Trauerspieles nimmt alles in Kauf, was zu diesem Zwecke notwendig erscheint, ohne seine Handlungen zu hinterfragen und wird dafür auch noch mit Anerkennung überschüttet.

"Er hat nicht aufgegeben. Dafür gebührt ihm meine Hochachtung!"

Die Idiotie des modernen Heldentums gleicht einem Sakrament, dem sich auch sogenannte Atheisten in Scharen willentlich verschreiben, ohne dies je zu realisieren. Niemals schlapp machen, alles geben, nach oben streben, Pflicht tun, auch wenns krank macht oder einsam oder depressiv.
12-Stunden-Schichten, natürlich ehrenamtlich, wer braucht schon Geld, solange er Arbeit hat?
Niemals aufgeben, jeden noch so dreckigen Job annehmen, unter Brücken schlafen oder samt Nachwuchs im Obdachlosenasyl nächtigen, wie dieser Typ, den Will Smith gespielt hat in "Das Streben nach Glück" ... eine cineastische Heiligsprechung für einen unverantwortlich Handelnden und seinen wenig respektablen Kampf nicht etwa gegen die, sondern nach den asozialen Regeln eines perversen Systems.

"Er hat nicht aufgegeben, seinen Traum gejagt ohne Rücksicht auf Verluste. Dafür gebührt ihm unser aller Hochachtung!"

Was ihm dafür gebührt hätte, wären ein ordentlicher Arschtritt mitten zwischen die Augen und ne Anzeige wegen Kindesmißhandlung gewesen.

Soll jetze nich heißen, man müsse vorm erstbesten Schlagloch auf dem Lebenswege sofort die Flinte ins Korn werfen. Gibt mehr als nur Null und Eins, sprach der Informatiker und stieg vom Dreirad. Entscheidungen sind nicht per Definition richtig oder falsch, wenn sie einer bestimmten moralischen Grundordnung folgen oder eben auch nicht. Kontext ist wichtig. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man ein Walross bei 2000 Metern Höhe aus nem Flugzeug schmeißt oder nen Kolibri.

"Du darfst nicht aufgeben. Auf gar keinen Fall! Egal, was auch passiert."

Sonst könntest du eventuell in Versuchung geraten, ne ruhige Kugel zu schieben. Das Leben zu genießen. Dem Müßiggange den Vortritt zu gewähren, keine unbezahlten Überstunden zu leisten, keine 200 Kilometer Anfahrt für einen Job zu tolerieren, der dir nich mal gefällt, keine 6 Instanzen zu durchlaufen, weil der Nachbar es nicht einsehen will, seine Kürbispflanze grundstücksgrenzengemäß aufzuziehen.

Gibt Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt. Gar nicht wenige.
Aber bei jedem Kampf gibt es immer mindestens einen Verlierer und die Frage danach, in welchem Ausmaß man denn verlöre, wenn man denn stur und unbeugsam bis zum bitteren Ende weiterkämpfte, ohne den Ring trotz aller Bemühungen als Sieger verlassen zu können, und ob es nicht eventuell vernünftiger wäre, sein Heil in der Flucht zu suchen, ist keine verwerfliche.



Fruit Fly Body Count:
84
...  still rising


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