Liebes Bodo.
Wäre der Bürger wirklich mündig, bräuchte es Aktionen wie diese nicht. Er würde die BILD, so wie die BRAVO, in jungen Jahren entdecken und entweder unverzüglich oder nach hinreichend fortgeschrittener Charakterreife die bewußte Entscheidung treffen, sich fortan nicht mehr mit dem Medium beschäftigen zu wollen. Das würde die BILD nicht vom Markt verdrängen, ihr aber sicherlich einen wesentlich geringeren Stellenwert in der Welt des "freien Journalismus" verschaffen.
Aber der Bürger ist nicht mündig. Er ist leicht zu beeinflussen und jederzeit willig, einem Führer zu folgen, sofern dieser Führer in seinem jeweiligen sozialen Umfeld als folgetauglich akzeptiert wird. Derlei Akzeptanz ist nicht einfach zu erlangen ... frag nur die dusselige Volksvertretung, die würde für BILD-ähnliche Lemmingquoten töten ... tat und tut dies auch weltweit immer wieder ... und so stellt sich meiner Ansicht nach eher die Frage, was genau die BILD seit Jahrzehnten auf konstant hohem Level hält diesbezüglich. Wie hat die BILD es geschafft, zum ALDI des "Zeitungswesens" aufzusteigen? Warum ist ihr Schwesterblatt, die WELT, erfolgreich bei den sogenannten "oberen Zehntausend", die es doch eigentlich besser wissen sollten? Was zeichnet ähnlich hetzerisch agierende Blätter wie Spiegel und Fokus aus, um der Boykott-Wut mündiger Bürger in Gänze entschlüpfen zu können?
Oder, knapp auf den Punkt gebracht: 'solln die Kaggä???
Boykott bringt garnichts.
Boykott spaltet. Boykotter und Boykottierte scharen sich um Ihresgleichen und hassen aufeinander ein für Ewigunddreitage.
Boykott funktioniert nicht. Auf Dauer am selben Strang mit Artgenossen zu baumeln, ist dem Menschen nicht eigen, sofern er gefahrlos frei wählen kann.
Boykott ist ungleich Freiheit. Wer zeitgleich Boykott UND Freiheit fordert, hat mindestens einen der beiden Begriffe inhaltlich nicht erfaßt.
Die BILD selbst, so verachtenswert sie als Instanz auch sein mag, mit Titten drinne oder ohne, als Zeitung geltend oder nicht, ist nicht das primäre Problem unserer Gesellschaft. Sie ist nur ein besonders auffälliges Symptom. Einer Krankheit namens ...
...
tja, DAS ist dann wohl der Kern des Ganzen. Die Frage aller Fragen.
Wie heißt die Krankheit, die bekämpfen muß, wer ihr Hauptsymptom BILD dauerhaft auszumerzen wünscht?
A) Kapitalismus
B) Freiheit
C) Demokratie
D) Mensch
A) wäre wünschenswert, weil zumindest in der Theorie heilbar, auf B) oder D) dürfte es letztendlich hinauslaufen, wenn man sich ausführlich und ehrlich mit dem Problem auseinandersetzt.
Aber wer will schon ernstlich die unbefleckte, strahlend weiße Weste der Freiheit hinterfragen, geschweige denn die Qualitäten der eigenen Spezies?
BILD wird es immer geben. BILD hat es auch schon immer gegeben, wenngleich freilich nicht immer unter diesem Namen oder in dieser Form.
BILD ist menschlich.
Schwer zu schluckende, aber aus meiner Sicht alternativlose Erkenntnis.
Weil der Mensch in übergroßer Majorität ein verkommenes, selbstsüchtiges, niederträchtiges, arrogantes, lügnerisches und feiges Produkt jener Natur ist, die schonungslosen Egoismus bereits zum Leitmotiv allen Lebens erklärt hatte, lange bevor es die ersten Donnerechsen auf dem Planeten gab. Sowas krichste nich raus ausm Erbgut, brauchste dir keinen Zacken aus der Schöpfungskrone brechen. Der Tag, an dem sich die Menschheit geschlossen zum Besseren zu wandeln bereit ist, wird der Tag sein, an dem sie ihrem Untergange offen ins Gesicht blickt.
So wie meine aufrichtige Absicht, gesünder und nachhaltiger leben zu wollen, erst im Momente meines frischen Herzinfarktes aufflammen und hinterher auf die eine oder andere Weise wieder vergehen wird.
Lügenpresse? Sicher. Presse wird von Menschen gemacht.
Abgesehen davon ist die Wahrheit des einen grundsätzlich die Lüge des anderen ... so etwas wie absolute Wahrheit existiert nicht, weswegen Lüge und Aufrichtigkeit keinen unbedingten Widerspruch darstellen.
All diese Dinge sag ich jetzt schon zum hundertsten Male.
Und ich werd sie noch viele hundert Mal sagen müssen. Es sei denn, ich werde irgendwie von irgendwem irgendwann vom Gegenteil überzeugt.
Möglich.
Aber unwahrscheinlich.
BILD mir meine Meinung! Ich freue mich über jeden Kommentar.
Mit Grüßen von dem Anlass angemessener Beschaffenheit
Samuel
3 Kommentare:
Stimmt.
Demokratie bzw. demokratische Freiheit funktioniert nun mal so. Wer damit nicht leben kann und mag, muss den Umsturz planen.
Ausmerzen ist übrigens kein Wort, das mit Demokratie vereinbar wäre. Ausmerzen kann man eine Krankheit. Da gibt's keine Diskussionen und kein Recht der Minderheiten, sondern nur Survival of the Fittest. Unsere Fresszellen sind gnadenlose Killer. Entweder sie siegen - oder die Krankheit siegt.
Das Bild von der BILD als Krankheit, die ausgerottet werden muss, ist mir persönlich zu militant.
Wie auch immer. Der Kapitalismus wird's überleben, so oder so. Der mutiert einfach und macht anderswie weiter.
(Jetzt würden vermutlich sämtliche Leute, die sich mal in irgendwelchen marxistisch-leninistischen Lesekreisen rumgetrieben haben, aufjaulen ... hoffentlich sind keine hier.)
Ups, schon wieder vergessen, das "Ich möchte Benachrichtigungen erhalten" anzuhaken. Aber jetzt.
Das Bild von der BILD als SYMPTOM einer Krankheit, die ausrotten muß, wer der BILD und all ihrer Verwandtschaft ein Ende bereiten möchte, mag radikal erscheinen, ist aber durchaus mit Bedacht gewählt.
Aus deiner Sicht ist Demokratie keine Krankheit ... andere machen sie verantwortlich für alles Übel dieser Welt. Minderheitenschutz ist derweil keine unmittelbare Begleiterscheinung von Demokratie in meinen Augen. Im Gegenteil kann Demokratie sogar überaus minderheitenfeindlich sein; kommt ganz auf die Gestaltung der Demokratie an, hängt viel eher von der Beschaffenheit des in der jeweiligen Demokratie geltenden Rechtes ab. In Deutschland etwa hat es Grundgesetz und Demokratie durchgehend seit 1949. Ausgeübte Homosexualität zwischen Männern war dennoch bis in die Neunziger ein Straftatbestand ... über 40 Jahre lang unter den Fittichen demokratischen Wirkens. In Österreich sogar bis 2002. Ob ne Minderheit geschützt is oder nich, hat mit Demokratie alleine nich sonderlich viel zu tun.
Ob die BILD nun Symptom von Demokratie ist ... ich wage das entschieden zu bezweifeln. Aber hey, ich biete hier nur (Hinter-)Fragen an, Antworten muß jeder für sich selber finden.
Immerhin läßt sich in diversen Demokratien Europas und auch in den USA ein BILD-haftes Zuspitzen von Medienhetze erkennen, das man eher in Diktaturen vermuten würde ... subtiler, natürlich, dadurch aber nicht ungefährlicher.
Kommentar veröffentlichen